AVIA porträtiert Frauen, die auf dem europäischen Kontinent leben und die Gesellschaft prägen. Ihre einzigartigen Wege veranschaulichen die Veränderungen unserer Lebensweise, unserer zwischenmenschlichen Beziehungen und die Kämpfe, die wir geführt haben und noch geführt werden.
AVIA sind Gespräche zwischen Großmüttern und Enkelinnen, bei denen sie (sich) ihre Realität als junge Frauen erzählen. Dies ermöglicht einen Überblick über knapp 70 Jahre und gibt uns die Möglichkeit, uns vorzustellen, in welche Richtung unsere Zukunft gehen soll, mit all den Herausforderungen, die sie mit sich bringen werden.
Die interviewten Frauen gehören zum einen der stillen Generation an, die zwischen 1929 und 1950, zu Beginn des Geburtenbooms, geboren wurde. Auf der anderen Seite, 50 bis 70 Jahre später, gehören die Enkelinnen zu den Millennials und dem Gen Z. Die Großmütter haben die ersten Entwicklungen der Vorgänger der EU direkt miterlebt. Sie wurden unter dem sowjetischen Regime, der spanischen Diktatur oder auch in Griechenland zu erwachsenen Frauen. Es sind Frauen, die aus ihren Ländern geflohen sind, um den Konflikten und Kriegen zu entkommen, in die die europäischen Länder seit so vielen Jahren verwickelt sind.
AVIA lädt zum Dialog zwischen den Generationen ein und schließt die Lücke zwischen diesen scheinbar so unterschiedlichen Generationen. Mit den Gesprächen möchte ich einen kurzen Moment innehalten. Ziel ist es, Frauen, die jahrzehntelang im Verborgenen gearbeitet, das soziale Umfeld geprägt und sich um viele gekümmert haben, mit jungen Frauen in Dialog zu bringen, die heute viel Verantwortung übernehmen, um die Gesellschaft voranzubringen.
Resilienz durch Dialog
Jede*r kann mit dem Wort Großmutter etwas verbinden. Ob man seine Großmutter kennt oder nicht, sich gut mit ihr versteht oder nicht. Die Geschichte der eigenen Großeltern, und hier besonders der Großmutter, ist auch ein Teil der eigenen Denkmuster. In Europa, aber auch im Rest der Welt, stehen wir vor großen Herausforderungen. Herausforderungen, die wir so noch nie so prägend wahrgenommen haben, wie die Klimakrise. Es gibt allerdings auch Herausforderungen, die uns auf dem europäischen Kontinent bereits bekannt sind: wachsender Nationalismus, Populismus und vor allem die Angst vor „dem Anderen“.
Hören wir nicht genug Geschichten von Frauen heute? Braucht es eigentlich denn noch feministische Ansätze ? Zu diesen Fragen ist die Antwort: Nein wir haben noch nicht genug, und ja wir brauchen es noch. Die feministischen Bewegungen teilen sich in drei Wellen auf: Welle 1, ab 1840, Welle 2, ab 1960 und Welle 3, ab 1990. Ob wir heute noch in der dritten oder schon in der vierten Welle angelangt sind, wird diskutiert. Sicher ist: Frauen sind im gesellschaftlichen Geschehen immer noch unterrepräsentiert. Was haben die Interviews von AVIA jetzt damit zu tun? Durch AVIA sollen Frauen, die jahrzehntelang im Verborgenen gearbeitet haben und das soziale Umfeld geprägt, mit jungen Frauen ins Gespräch gebracht werden, die heute viel Verantwortung übernehmen, um die Gesellschaft voranzubringen. Dadurch sollen nicht nur junge Frauen, sondern auch nicht-binäre und junge Männer einen breiten Blick über das Leben von Frauen durch das 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts bekommen.
Geschichte im Femininum
Die erzählenden Großmütter sind während oder kurz nach dem zweiten Weltkrieg geboren, haben im Kommunismus gelebt und den Fall von mehreren Diktaturen in Europa miterlebt. Es sind auch Frauen, die vor Krieg und Repression aus ihren Ländern geflohen sind, sei es innerhalb Europas oder in andere Regionen der Welt. Diese Generation hat zahlreiche geopolitische Änderungen, gesellschaftliche Freiheitsbewegungen und Entwicklungen im gesellschaftlichen Denken miterlebt. Ohne Vorwarnung war unsere Generation wegen Corona von einem Tag auf das andere für Wochen zu Hause eingesperrt. Mit viel Vorwarnung versucht die jüngere Generation, heute etwas Vernunft und radikale Aktionen in unsere Konsumgesellschaft zu bringen. Meine und unsere Generation steht vor großen Veränderungen, die viel Resilienz und Handlung erfordern werden. Vieles verbindet uns also mit der Generation unserer Großeltern, nicht zuletzt das notwendige Lernen, mit Krisen umzugehen.
Die Gespräche zeigen zum einen den Blick älterer Frauen, die ihre Geschichten einer jungen Generation erzählen; zum anderen sind es jüngere Frauen, die ihren Blick auf die Gegenwart einer älteren Generation schildern. Die Interviews widmen sich der weiblichen Perspektive, da diese in der Geschichte viel zu oft vernachlässigt und ignoriert wurde. Erst in den letzten Jahrzehnten haben Erzählungen von Frauen eine grundlegend neue Bedeutung bekommen, auch in der Geschichtsschreibung. Durch die Gespräche erzählen Frauen ihre Geschichte in einem mehrfachen Sinn: Es ist nicht nur die Geschichte über ihr eigenes Leben als Frauen; sie sind es selber die diese Geschichte erzählen. Und dadurch machen sie sich diese Geschichte zu eigen.
Gelebte Vielfalt
Seit Jahrhunderten ist Europa ein Migrations Kontinent mit einer langen und vielseitigen Geschichte der Migration. Europa ist eine Migrationsgesellschaft, nicht erst seit gestern. Bereits seit Jahren ist der Rechtsruck, Rassismus und Nationalismus in Europa zunehmend spürbar. Die Gefahr: Europa baut sich eine Festung. Wer als Geflüchtete Menschen, Migrant*innen oder so genannte “Gastarbeiter*innen” bezeichnet wurde, hat sich über die Jahre und geopolitischen Ereignissen geändert. Wie groß die Distanz ist, die die Menschen auf sich nehmen, um Kriege und Repression hat sich erstreckt. Um die Geschichte Europas wirklich zu verstehen, muss man über die eurozentrische Perspektive hinausgehen und einen kleinen Teil des gesamten Planeten verstehen. Um die Geschichte Europas besser zu verstehen, ist es wichtig, sich auch mit der Kolonialzeit auseinanderzusetzen. Außerdem sollten wir uns bewusst machen, dass der Kalte Krieg nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt Auswirkungen hatte. Und nicht zu vergessen: Frauen mit nicht europäischem Hintergrund haben einen wichtigen Beitrag zur Geschichte Europas geleistet und sollten dafür anerkannt werden.
AVIA trifft auf Frauen, die Flucht- und Migrationserfahrungen haben, ob aus Portugal, Türkei oder Afghanistan. AVIA versteht Europa nicht als starres Kontinent mit einer Kultur und einem historischen Einfluss, sondern als änderungsvollen, diversen und bewegendes Kontinent.